Deeper Munich: Geheime Biotope am Hüllgraben

Deeper Munich: Geheime Biotope am Hüllgraben

In der “grünen Stadt” München gibt es bekannte Erholungsgebiete wie den Englischen Garten oder den Nymphenburger Park. Für mich haben die unbekannteren grünen Oasen meiner Stadt wie der Hüllgraben einen besonderen Reiz, weil sie Ruhe und neue Entdeckungen versprechen.

Auf der Suche nach dem verschwundenen Hachinger Bach

Der Hachinger Bach, der von Oberhaching bis München-Perlach fließt, ist ein Paradies der Ruhe für Spaziergänger. Nur verschwindet er leider im Ostpark plötzlich unter der Erde, wie ich bei einer kleinen Erkundungstour feststellen musste. Ich erinnerte mich gelesen zu haben, dass er weiter im Norden als Hüllgraben, ein künstlich angelegter Bach, wieder an die Oberfläche kommen soll. Also wurde ich neugierig und wollte wissen: Wie und wo ist eigentlich dieser Hüllgraben genau? Ich habe mich mit meinem Mann auf den Weg gemacht, das geheimnisvolle Gewässer und seine Umgebung zu erkunden. Da wir jeweils nicht so viel Zeit am Stück hatten, sind wir an aufeinander folgenden Wochenenden insgesamt fünfmal zum Hüllgraben gefahren und haben seine verschiedenen Abschnitte kennengelernt. Jeder kleine, etwa halbstündige Ausflug war ein Genuss. Manchmal mussten wir mit der Karte ein Bisschen suchen, um den Bach zu finden, unter anderem auch, weil unser altes Navi nicht immer funktionieren wollte. Das hatte aber auch seinen Reiz, denn so hatten unsere Ausflüge immer einen kleinen Entdeckungscharakter. Schließlich geht es mir darum, zumindest ab und zu echte “Hidden Traces” zu finden.

1. Tour: Truderinger Hüllgraben – ein malerischer Bach neben dem Industriegebiet

Nachdem der Hachinger Bach im Ostpark verschwindet, verläuft er eine Weile unterirdisch und taucht erst ein ganzes Stück weiter nördlich als Truderinger Hüllgraben wieder auf. Ich war erstaunt, dass der Hüllgraben ausgerechnet am Moosfeld, neben einem weniger attraktiven Industriegebiet wieder ans Tageslicht zurückkehrt. Trotzdem lässt es sich hier sehr angenehm spazieren gehen. Um den Hüllgraben herum befinden sich Kleingartenanlagen und vor der leider nahen Autobahn ein Waldstück, so dass man die Strecke auch etwas abwechslungsreich gestalten kann. Der Gehweg des Truderinger Hüllgraben-Abschnitts ist gut erschlossen und es gibt, wie am Hachinger Bach, auch Sitzbänke zum Verweilen. Hier ist mit der Zeit ein kleines Biotop entstanden. Sogar ein Biber soll sich angesiedelt haben.

2. Tour: Daglfing Süd – Der Hüllgraben inmitten von Pferdekoppeln

Obwohl ich in München geboren bin, kannte ich diesen hübschen ländlich geprägten Stadtteil noch gar nicht. Daglfing ist bekannt für seine Pferderennbahnen. So ist es nicht verwunderlich, dass man dort eine Vielzahl von Pferdekoppeln findet und das direkt um den Hüllgraben herum. In Daglfing scheint es auch einen eigenen Handwerkszweig zu geben, der Sulkys für Pferde herstellt. Diese Handwerksbetriebe passen – auch optisch – zum dörflichen Charakter Daglfings.

Diesen sehr grünen Abschnitt des Hüllgrabens mag ich besonders gern. Neben dem Hüllgraben hat man einen natürlich anmutenden Seitenarm des Wasserlaufs angelegt. Als wir den Bachlauf entlang schlenderten, saßen jede Menge schöner Vögel in den Bäumen, die jedoch so schüchtern und schnell waren, dass ich sie weder bestimmen, noch fotografieren konnte. Der Hüllgraben verläuft im südlichen Daglfing zum Teil durch das Gelände eines Pferdezüchtervereins, so dass man nicht überall weitergehen kann. Überrascht war ich, im historischen Ortskern von Daglfing eine kleine Weide mit Ziegen vorzufinden. Beim Zurückfahren haben wir nahe des Hüllgrabens sogar einen Raubvogel gesehen – und das alles im Stadtgebiet Münchens.

3. Tour: Von Daglfing nach Johanneskirchen

Beim nächsten Mal starteten wir weiter nördlich in Daglfing. Glücklicherweise war das Wetter schön, so dass man gut fotografieren konnte. In diesem Abschnitt führen einige pittoreske Steinbrücken über den Hüllgraben, der nahezu geradlinig durch Maisfelder und vorbei an einer großen Gärtnerei führt. Besonders schön an diesem Abschnitt finde ich die großen Freiflächen, die typisch für den Stadtrand Münchens sind. Sie haben die Funktion einer Frischluftschneise und damit eine wichtige stadtklimatische Bedeutung.

Wandert man bachabwärts auf der rechten Seite, muss man durch hohes Gras laufen. Das lohnte sich in unserem Fall, da die Maisfelder auf interessante Weise abgeerntet waren. Es wurde dabei eine Art Allee stehen gelassen. Die “Allee” zusammen mit den zunehmenden dunklen Regenwolken ergab dramatische Fotomotive. Ich war nicht die Einzige, die hier fotografieren wollte. Wir trafen noch weitere Leute, die mit guter Kamera-Ausrüstung unterwegs waren und die intakte Natur sichtbar genossen.

4. Tour: Von Johanneskirchen Richtung Abfanggraben

Je weiter man den Hüllgraben nördlich erkunden will, desto schwieriger wird es, ihn zu finden. Unser Weg begann bei einer ehemaligen Güterbahntrasse, von der man eine schöne Aussicht auf den Hüllgraben hat. Auf der Trasse hat sich mittlerweile auch ein Biotop entwickelt. Weiter nach Norden ging es dann zunächst über einen Trampelpfad. Auch bei dieser Tour kamen wir an vielen kleinen Steinbrücken vorbei, die idyllische Fotomotive abgaben. Die wenigen Häuser, die man in diesem Gebiet findet, haben die Adrese “am Moosgrund”. Das kommt nicht von ungefähr, da sich der Hüllgraben, der im 19. Jahrhundert auf Grund einer Entwässerungsmaßnahme angelegt wurde, auf dem Gebiet eines ehemaligen Moores befindet. Nach einiger Zeit begann ein Naturschutzgebiet als Schlafbereich für Wildtiere. In diesem Abschnitt habe ich mich besonders über die schön verfärbten Bäume gefreut, da wir den Hüllgraben Stück für Stück im Herbst erkundet haben.

Herbst am Hüllgraben
Herbst am Hüllgraben

5. Artenvielfalt am Abfanggraben

Bei der letzten Tour haben wir uns den Beginn des Abfanggrabens vorgenommen, der in den Hüllgraben mündet. Das Speicherbecken am Beginn des Abfanggrabens kann man sich trotz seines wenig vielversprechenden Namens wie einen tief gelegenen kleineren See inmitten üppiger Natur vorstellen. Der Abfanggraben ist ein Naturschutzgebiet mit einer reichen Flora und Fauna. Das liegt zum Teil daran, dass die Gegend um den Hüllgraben ist ein Vogeldurchzugsgebiet ist, wo z.B. Kiebitze brüten. Im Speicherbecken des Abfanggrabens findet man eine Vielzahl verschiedener Wasservögel: Enten, Gänse, Schwäne und auch die Wasseramsel ist hier heimisch. Interessiert habe ich die vielen Hinweisschilder gelesen, die auf seltene Tier- und Pflanzenarten hinwiesen. Gefreut habe ich mich zum Beispiel über Hinweise über Bläuling-Schmetterlingsarten oder die stark geschützte Zauneidechse. Gegruselt habe ich mich etwas darüber, dass es Schlingnattern in diesem Gebiet geben soll. Begegnet ist mir allerdings keine. Meine anfängliche Angst ist letztendlich auch der Freude gewichen, dass dieses Landschaft noch so intakt ist, dass sie einen Rückzugsort für seltene Tiere bieten kann.

Abfanggraben in München
Naturparadies Abfanggraben

Besonders schön fand ich den kleinen Weiher neben dem Abfanggraben. Eigentlich ist das ein Abwasserbecken. Totzdem ist dieser Ort wunderschön. Hier waren nicht nur viele Wasservögel zu sehen, sondern auch kahle Bäume im Wasser, was mich an einen Nationalpark erinnerte, den ich in Sri Lanka gesehen hatte.

Die Tatsache, dass als gebürtige Münchnerin immer noch kleine grüne Oasen entdecke, zeigt, was die Stadt für eine Vielzahl an Grünflächen bietet. Wenn man den Hüllgraben zu Fuß erkunden möchte, empfiehlt sich gutes Schuhwerk. Gummistiefel oder Ähnliches sind von Vorteil, da die Wege manchmal etwas abenteuerlich sind. Das macht aber eben auch den Reiz dieser Landschaft aus. Mir hat die sukzessive Erkundung des Hüllgrabens viel Spaß gemacht. Auf diese Weise habe ich neue Aspekte der Münchner Natur gesehen und neue Ecken von entlegeneren Stadtvierteln kennengelernt.

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15 thoughts on “Deeper Munich: Geheime Biotope am Hüllgraben

  1. Als ehemalige Münchnerin interessiert mich Dein Artikel besonders. Gerade diese versteckten Naturparadiese machen die bayrische Hauptstadt so lebenswert, finde ich. Vom Hüllgraben habe ich bisher allerdings auch noch nie etwas gehört. Es gibt noch so viel zu entdecken. Herzlichen Dank für diesen Tipp.

    1. Liebe Monika und lieber Petar,
      das ist neben der Lage nah der Alpen und Italien genau das, was ich an München so liebe. Es gibt immer noch neue schöne Dinge zu entdecken.

  2. Da habe ich als Münchner (im Exil) wieder was gelernt. Den Osten kenne ich tatsächlich kaum. Danke für den Tipp und die wunderbaren Fotos.

    1. Ricarda Christina Hollweg

      Lieber Robert, es freut mich sehr, dass ich eine Anregung geben konnte. Da kann man wirklich noch was entdecken…

  3. Oh das sieht echt hübsch aus. Vor allem scheint es nicht so überlaufen zu sein. Ich bin ja eher der Natur- als Stadtmensch. So ein Spaziergang würde mir also gut gefallen.

    1. Ricarda Christina Hollweg

      Liebe Lisa, vielen Dank für Dein Feedback. Ja, es ist ziemlich ruhig dort. Als Naturmensch dürfte es Dir gefallen.

  4. Sieht wunderschön aus die Gegend. Da ich ja gar nicht soo weit von München entfernt lebe, könnte es durchaus sein, dass es mich einmal dorthin verschlägt. Für mich sind ja auch immer die versteckten Plätze reizvoller.

    Liebe Grüße,
    Michaela

    1. Ricarda Christina Hollweg

      Liebe Michaela, die versteckten Plätze der Welt haben es mir ebenso angetan. Vielleicht findest Du ja den Weg dorthin. Ich wünsche Dir ebenso viel Spaß beim Entdecken, wie wir es hatten.

  5. Das ist ja ein echt interessanter Artikel. Den Hüllgraben kenne ich nicht, aber als Kind habe ich im Hachinger Bach gespielt. Da gab es immer Seitenarme die trocken waren, war total gruselig für uns Kinder und somit sehr aufregend.

    Viele Grüße
    Victoria

    1. Ricarda Christina Hollweg

      Liebe Victoria, herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Wie schön, dass Du den Hachinger Bach aus Kinderzeiten kennst. Wir wohnen erst seit einem Jahr in Altperlach und ich bin froh, den Bach und seine Verlängerung immer besser kennen und lieben zu lernen.

  6. Ich verstehe das richtig, der Hüllgraben geht einmal komplett durch?
    Einfach schön, wenn es solche Biotope in der Großstadt gibt. Danke für die Info.
    Liebe Grüße
    Katja

    1. Ricarda Christina Hollweg

      Liebe Katja, danke für Deinen netten Kommentar. Der Hüllgraben ist die Verlängerung des Hachinger Bachs. Er beginnt überirdisch am Moosfeld und mündet in den Abfanggraben hinter Johanneskirchen. Ja, die Biotope und dörflichen Ecken in der Stadt sind für mich immer wieder Inspiration und eine Quelle der Freude. LG, Ricarda

  7. Der Hüllgraben als Fortsetzung des Hachinger Bachs und der Truderinger Hüllgraben sind wirklich eine Tour wert. Franz Kerscher aus Perlach hat vor einigen Jahren dazu eine bebilderte Recherche zusammengestellt und ins Internet gestellt. Wenn ich den Link hier poste darf – ansonsten bitte löschen:
    perlach.hachinger-bach.de/downloads/RechercheHachingerBachNord.pdf

    Beste Grüße
    Benno

    1. Ricarda Christina Hollweg

      Hallo Benno, vielen Dank für Deinen Kommentar und die Anregung. Ich kenne die Recherche. Der Link darf darf gerne gepostet werden, denn eine ausführliche Recherche und ein subjektiver Blogartikel, der vor allem inspirieren möchte, stehen nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich sinnvoll. Herzliche Grüße, Ricarda

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